
Alice 2: Shangri-La, Paradies im Ozean
Alice: Die Sieben Herrscher
Kapitel 2: Shangri-La, Paradies im Ozean
Nach ihrem plötzlichen Wiedersehen auf dem Schlachtfeld kehrten Alice und Faria in Glorias Burgstadt zurück.
„Dein Bruder ist immer noch nicht zurück, oder?“
„Ja, leider, er ist schon zehn Jahre fort. Aber ich glaube fest daran, dass er zurückkehren wird.
„Und was ist mit deiner Schwester?“
„Sie lebt, aber wirklich toll geht es ihr nicht. Sie liegt nur in ihrem Bett und schläft, manchmal wacht sie wochenlang nicht auf.“
„Oh, das tut mir leid. Das nimmt dich ganz schön mit, oder?“
„Ein wenig, aber da muss ich durch. Das gehört dazu als Königin eines Reiches. Aber du bist auch nicht viel besser dran als ich, oder?“
„Ich? Wieso?“
„Ja, du. Es muss ja einen Grund dafür geben, dass du wieder in unsere Welt gekommen bist, oder? Und nicht nur, um mir nach zehn Jahren wieder zu helfen…“
„Huh, was hat mich verraten?“
„Haha, nein, gar nichts. Es ist nur so, dass ich nach all den Jahren als Herrscher jetzt sehr gut erkennen kann, wenn jemand Hilfe benötigt.“
Alice erzählte daraufhin, wer seine Aufmerksamkeit auf diese Welt gerichtet hatte.
„Ah, verstehe. Es gibt also noch zahlreiche andere Welten, nicht nur unser Attoraktia.“
Nach kurzem Nachdenken gab Faria Alice eine kurze Einschätzung der Lage.
„Diese Welt wird von sieben Herrschern kontrolliert. Wenn du deinen Widersacher aufhalten willst, dann brauchst du die Unterstützung von allen, ohne Ausnahme.
Der Mann, gegen den ich heute gekämpft habe, ist der Flammenkönig Melgis. Er ist äußerst dickköpfig, daher wird es sehr schwer, ihn mit Worten zu überzeugen. Aber ich werde es versuchen. Nachdem ich heute seine Göttergabe überlebt habe, hört er vielleicht auf mich.
Arla ist ein ehrenhafter Mann und Pricia liebt den Frieden über alles, diese beiden werde ich problemlos überzeugen können. Ich werde gleich Nachrichten an beide senden. Das Problem sind die anderen drei. Hmm, Alice, vielleicht solltest du zuerst Shangri-La besuchen.“
„Shangri-La?“
„Ja, genau. Das ist eine Inselstadt im Meer. Sie wird auch Paradies im Ozean genannt und wird von Valentina beherrscht. Sie kann sehr exzentrisch sein, so dass man nur sehr schwer vorhersagen kann, was sie wirklich denkt und wie sie reagieren wird.
Aber wenn du das machst, Alice, dann habe ich da keine Bedenken.“
„Ich? Wieso?“
„Weil du wunderschön bist.“
„Echt? Und das reicht?“
„Haha, ja, das reicht.“
————
Herrscherin von Shangri-La war Valentina, die Prinzessin der Liebe.
„Shion, bitte singe ein Lied für mich.“
„Aber gerne doch, Lady Valentina. Was für eine Art Lied wünscht Ihr?“
„Tja, das ist die Frage. Vielleicht ein Lied, das mein Herz bewegt. Ein Lied, das mir eine neue Begegnung vorhersagt.“
Valentina war gelangweilt und auf der Suche nach Neuem. Schon seit ihrer Geburt in Shangri-La war sie nur auf besondere Schönheiten fixiert, ganz egal, ob es sich dabei um Dinge oder Personen handelte.
Ihr einziger Lebensinhalt war das Aufspüren und Erwerben von neuen Schönheiten. Alles andere war für sie uninteressant und wurde schnell wieder fallen gelassen. Neid und Habgier waren bereits in jungen Jahren tief in ihr verwurzelt. Relativ schnell erhielt sie von ihrem Volk den Beinamen „Prinzessin der Liebe“, allerdings war das eher zynisch und verächtlich gemeint.
„Lady Valentina, hier ist jemand, der Euch sprechen möchte. Wie sind Eure Anweisungen?“ So meldete Valentinas Zofe die überraschende Ankunft eines Besuchers.
„Aussehen?“
„Nicht übel, entspricht voll Eurem Beuteschema, wenn ich mir dir Bemerkung erlauben darf.“
„Dann nur her damit.“
„Gern, Milady.“
Alice hatte sich – so wie von Faria vorgeschlagen – auf den Weg nach Shangri-La gemacht. Seit ihrer Ankunft dort fühlte Alice unzählige Blicke auf sich ruhen. Abschätzende Blicke, die sie und ihr Aussehen taxierten. Sie war nicht sicher, ob das in dieser Handelsmetropole so üblich war und ob ihr bereits jemand auf der Spur war.
„Hmm, das gefällt mir nicht. Ich bin doch nicht das einzige Mädel hier, aber warum starren alle nur mich an…“
In Valentinas Palast musste sie nicht lange warten. „Deine Bitte um Audienz wurde gewährt, du darfst passieren.“
„Danke sehr.“
Alice durchschritt die geöffnete Tür und stand dann auch schon vor Valentina.
„Ah, du bist also Valentina? Mein Name ist Alice. Die Zeit drängt, daher will ich mich möglichst kurz fassen.“
„Ich werde dir deine Bitte gewähren.“
„Öhm, ich, uh, hab doch noch gar nichts gesagt.“
„Ich würde einer reizenden Person niemals die erste Bitte abschlagen. Und ich finde dich mehr als reizend. Daher mach dir mal keine Sorgen.“
„Ah, verstehe. Ich fühle mich geschmeichelt, denke ich.“
Alice musste direkt an Farias Warnung denken. Diese hatte gesagt, dass Valentina niemals die Bitte von jemandem abschlagen würde, für den sie sich interessierte. Allerdings würde sie dafür auch stets eine Gegenleistung fordern. Und dann hatte Faria ihr auch noch gesagt, wie sie es am besten anstellen könnte, ihren Kopf wieder aus der Schlinge zu ziehen.
„Ich werde dir deine Bitte gewähren. Im Gegenzug allerdings gehörst du dann mir.“
„Hmm, also ich weiß nicht so recht. Eigentlich helfe ich ja nur Faria und ihrem Volk beim Beschützen dieser Welt…“
Gloria hatte seit langer Zeit ein Handelsabkommen mit Shangri-La und Faria und ihr Reich waren ein unverzichtbarer Handelspartner für Valentina. Mit Farias Rückendeckung war Alice relativ sicher vor Valentinas Besitzgier, zumindest vorübergehend. Faria hatte Alice gewarnt, dass Valentina dann womöglich nicht mehr zu einer Kooperation bereit wäre. Oder dass sie zumindest sehr verärgert sein würde.
Aber Valentinas Gesichtsausdruck änderte sich nicht im Geringsten.
„Ah, ich verstehe. Das wäre vertretbar. Dann lass doch mal hören. Wie gesagt, ich werde dir deine Bitte nicht abschlagen.“
„Huch? Tatsächlich? Dann…danke schön. Da…ist so ein Ding, das ich verfolge. Um es fangen zu können, benötige ich die Hilfe der Herrscher dieser Welt. Daher möchte ich Euch und die anderen Herrscher um Hilfe bitten.“
„Ich verstehe. Falls das dein Begehr ist, so schlage ich vor, eine Versammlung der Sieben Herrscher einzuberufen.
Da ich auch Handel mit Leginus, der Mechanischen Stadt, treibe, schlage ich vor, dass ich meine Kontakte dort bemühe. Wie wäre das?“
„Das klingt perfekt, vielen Dank!“
Überrascht, aber auch zufrieden mit den Ergebnissen, machte sich Alice wieder auf den Weg. Sie fühlte aber auch jetzt noch unzählige Blicke auf sich ruhen, so dass sie sich beim Verlassen von Shangri-La genauso unbehaglich fühlte wie beim Betreten.
————
„Shion, bitte singe ein Lied für mich.“
„Aber gerne doch, Lady Valentina. Was für eine Art Lied wünscht Ihr?“
„Tja, das ist die Frage. Vielleicht ein leidenschaftliches Lied. Ein Lied, das mit Lust und Leidenschaft beginnt und mit großer Liebe endet.“
„Sehr wohl, Milady.“
Valentinas Verlangen hatte sich in ein noch stärkeres Gefühl verwandelt…
————
„Ihr hattet Recht. Alice hat mich heute besucht.“
„Und? Was wirst du tun?“
„Das liegt ja wohl auf der Hand, oder? Ich werde herrschen. So wie es mir vorherbestimmt ist.“
„Ah, verstehe. Na dann viel Glück.“
Ein mysteriöses Mädchen, gekleidet in ein Zwielichtgewand, verzog ihr Gesicht zu einem mehrdeutigen Lächeln. Neben ihr saß eine pechschwarze Katze, deren Augen einem weit entfernten Ziel zu folgen schienen. Die Katze miaute leise.
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