Produktvorstellung: H5 - Duell der Weltenbäume
08/09/2023"Duell der Weltenbäume" ist das fünfte Set im Held-Zyklus!
Hoch über dem gewaltigen Weltenbaum Yggdrasil tauchte plötzlich ein Mädchen mit einer mysteriösen Aura neben Lapis auf. Rein äußerlich war an dem Mädchen nichts Ungewöhnliches zu erkennen, aber Lapis konnte spüren, dass sie besonders war.
„Meister Lapis, ich bin Reiya, die vierte Tochter des Mikage. Ich soll euch eine Nachricht meines Vaters überbringen: ‚Ich habe die Zeichen gesehen, die Rückkehr steht unmittelbar bevor.‘ sagt er.“
„So bald schon?“ Die Nachricht schien Lapis zu beunruhigen.
„Vater sagt, es könne jederzeit so weit sein, natürlich relativ gesprochen.“
„Verstehe. Dann werde ich da sein, sobald ich bereit bin. Was davon abhängt, wie schnell diese Welt in meiner Sammlung landet.“
„Verzeiht, aber seid ihr sicher, dass das ausreichen wird?“
„Hmm, wieviel genau wisst ihr eigentlich über diese Angelegenheit?“
„Fast gar nichts, Meister. Ich habe ein leichtes Zögern bei eurer Antwort gespürt, sonst nichts.“
„Falls ihr nichts darüber wisst, dann braucht ihr euch auch keine Gedanken zu machen. Mit Attoraktia als Insignie werde ich stark genug sein.“
„Sehr wohl.“
„Falls ihr euch Sorgen über das Ausmaß meiner Kräfte macht, dann solltet ihr euch vielleicht anschauen, was ich mit dieser Welt anstellen werde.“
„Ah, ich denke, das wird nicht notwendig sein. Ich werde einfach am vereinbarten Ort warten.“ Reiya verschwand so plötzlich, wie sie gekommen war.
Er wusste nicht wieso, aber Lapis musste plötzlich an eine Unterhaltung denken, die er vor sehr langer Zeit geführt hatte.
„‘Vor mehr als einhundert Jahren wurde der mächtigste Sprössling der Mikage-Familie geboren.‘, ja, das muss sie dann wohl gewesen sein. Sehr spannend.“
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Etwa zur selben Zeit in Vell-Savaria
Alice wehrte problemlos Desaster um Desaster ab, das Alisaris mit Hilfe der drei Nornen und seiner Insignie Ifritfokus aus Erinnerungen jenseits von Zeit und Raum beschwor.
„Nehmt dies! Siegel von Wind und Licht! Hahaha! Alice, von mir aus kann das den ganzen Tag so abgehen, aber sollten wir uns nicht mal langsam um die Brillenschlange kümmern?“
„Ich komm nicht an ihn ran, die drei Tussis drehen immer an der Zeit, um ihn zu beschützen. Also…“
„Also was?“
„Also vermute ich mal, sie wollen auf Zeit spielen.“
„Boah, deine Witze sind übel. Du meinst also, sie haben einen anderen Plan?“
„Ja, ich vermute, sie wollen nicht einfach nur gegen uns kämpfen, sondern haben ein anderes Ziel.“
„Aha, naja, so richtig folgen kann ich dir nicht. Aber ich hab eine Idee, wie ich alle auf einmal erwischen kann. Soll ich das mal probieren?“
„Klar, tu dir keinen Zwang an.“
„Okay, ich krieg das hin! Zeit für meine Geheimtechnik! Und der Name dieser Technik iiiiiiist … Kaninchen-Kanonade!“
„Du weißt schon, dass es keine Geheimtechnik mehr ist, wenn du ihren Namen so durch die Gegend brüllst?!“
„Ja, ja. Alice, ich brauch etwa eine Minute, dann kann ich loslegen.“
„Geht klar.“
Mit einer kurzen Zauberformel beschwor Alice einen Schutzkreis aus Licht um Kaguya. Das Licht wehrte alle Feinde ab, raubte ihnen den Willen zum Angriff und übertrug diesen auf Alice.
„Dauert nicht lange, sorry, Alice!“
„Ist schon okay, ich komm klar.“
„Dann fang ich mal an.“ Kaguya holte tief Luft, schloss die Augen und verschränkte ihre Hände.
„Zuerst kommt der Neumond, ganz leer und dunkel.
Dann kommt die Sichel, mit leisem Gefunkel.
Nimmt ab der Mond, greifen Feinde zum Fusel.
Doch ich brauch Vollmond, für Häschen-Gewusel!“
„Jetzt ist Kaninchenzeit! Auf geht’s, Hasen-Homies!“
Kaum hatte Kaguya ihren seltsamen Singsang beendet, erschien hoch oben am Firmament ein gewaltiger Vollmond. Von diesem Mond hüpften unzählige weiße wuselige Kaninchen herab und hoppelten mit einem Affenzahn auf Alisaris und die Nornen zu. Angeführt wurde die tobende Meute von Kaguya, die lauthals lachend auf einem riesigen Kaninchen voranritt.
„Das wird ein Spaß! Von Kaninchen umzingelt, da kommt ihr nicht raus!“
„Das ist ja mal ein origineller Trick.“ Alisaris rückte seine Brille gerade.
„Tja, ein wenig stolz bin ich schon. Wenn wir euch aus allen Richtungen angreifen, habt ihr keine Möglichkeit zum Ausweichen.“ Kaguya klopfte sich stolz selbst auf die Schulter.
„Ich hoffe, ihr braucht euren Mond nicht mehr.“ Alisaris hatte seinen Blick zum Himmel erhoben und starrte diesen seltsamen Himmelskörper an, der dort über ihm hing.
Er zeigte auf den Mond, um den Nornen ein neues Ziel zu geben.
„Ifritfokus, rufe einen Flammennebel herbei und lösche das Licht dort.“ Aus seiner Insignie breitete sich ein dichter, blutroter Nebel aus, der das Licht des Mondes dämpfte und damit das Erscheinen neuer Kaninchen verhinderte.
„Uh oh, das ist nicht gut.“
„Kein Problem, er kann immer noch nicht weg, ich mach ihn fertig.“ Alice schien unbeeindruckt.
„Bist du irre? Da sieht man doch nichts mehr. Nur noch Kaninchen und dieses dumme Gas!“
„Ach ja, und das Beschwören dieser Kaninchenhorde war etwa kein Wahnsinn? Kaguya, mach mal kurz Platz.“
Ein sanfter Lichtstrahl durchdrang den Nebel und traf Alisaris, der zu sehr damit beschäftigt gewesen war, die unzähligen Kaninchen loszuwerden, die sich an ihn klammerten.
Die Zauber, die Alisaris beschützten, verloren für den Bruchteil einer Sekunde ihre Wirkung. Darauf hatte Alice nur gewartet und stürzte sich mit atemberaubender Geschwindigkeit auf ihn. Eine kurze Handbewegung mit Excalibur schleuderte eine Scheibe aus magischem Licht auf Alisaris, die immer größer wurde und ihn frontal erwischte.
Der Mann im roten Kapuzenmantel taumelte zu Boden und die Insignie entglitt seinen leblosen Händen. Gleichzeitig lösten sich auch die uralten Göttinnen der Zeit und der feurige Nebel in Luft auf.
Jetzt endlich verstand Alice.
„Das alles war nur ein Ablenkungsmanöver. Alisaris wollte uns hier aufhalten und verhindern, dass wir Lapis stoppen. Ich spüre ihn jetzt wieder, er ist beim Weltenbaum!“ Alice wusste, was das bedeutete.
„Autsch. Dann sollten wir da schnell auch hin!“
„Ja! Wir müssen uns beeilen, Kagyua. Er hat schon das Ritual begonnen, um Attoraktia zu seiner Insignie zu machen!“
„Hier sind wir raus! Hüpf auf eines der Kaninchen, Alice!“ Kaguya tätschelte den Kopf des riesigen Kaninchens, auf dem sie saß. Als sie wieder aufblickte, war Alice schon vorausgeflogen.
„Hey! Warte auf mich! Menno, was genau ist dein Problem, Alice.“
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Mit dem Tod von Alisaris zersprang auch seine Insignie Ifritfokus in tausend Stücke und gab Vell-Savaria endlich frei, der ewige Fluch war gebrochen.
Viele tausend Jahre hatte der Fluch uralter Magie bereits dieser Stadt und seinen Bewohnern unendliches Leid gebracht, jetzt erloschen die Feuer einfach und die Bewohner zerfielen zu Staub. Sie waren endlich erlöst. Ob es sich dabei um eine Nebenwirkung der Zeitmanipulationen von Alisaris handelte oder ob die Zeit des Fluches vielleicht von selbst abgelaufen war, das würde wohl niemand mehr erfahren.
Inmitten dieser plötzlichen Stille erschien eine Kugel aus purpurnem Licht, die größer und größer wurde. Und dann trat ein Mann aus diesem Licht, den seit zehn Jahren niemand mehr gesehen hatte: der letzte Sohn der Herrscherfamilie von Gloria, Lars.
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Zur gleichen Zeit an einem anderen Ort hatte Lapis mit seinem Ritual begonnen, um Attoraktia in eine Insignie für seine Sammlung zu verwandeln. So wie er es damals mit der Erde gemacht hatte.
„Lebewohl, Alisaris. Ich hoffe, du bist mir nicht böse, ich brauchte nur ein wenig Zeit. Mögest du in Frieden ruhen, bis in alle Ewigkeit.“
Lapis hatte die Niederlage seines Verbündeten gespürt und entschuldigte sich mit ein paar leeren Floskeln, während er sein Ritual unbeirrt fortsetzte.
„Weltenbaum, deine Macht ist mein.“
Lapis streckte seinen Arm aus und berührte den gewaltigen Baum. Anfangs widersetzte sich die Macht von Yggdrasil noch gegen die Berührung und wehrte den finsteren Willen von Lapis ab. Doch lange konnte der Weltenbaum dem Willen der Verzweiflung nicht widerstehen.
„Alice, was ist mit dir? Du bist so blass!“
Alice hatte sich in den letzten Minuten recht seltsam verhalten und Kaguya merkte, dass etwas nicht stimmte. Von einer Sekunde zur nächsten war Alice plötzlich ganz bleich geworden.
„Yggdrasil ruft um Hilfe! Seine Kraft schwindet, wir müssen Lapis aufhalten, bevor es zu spät ist.“
„Alice, was ist los? Nicht nur deine Haut sieht seltsam aus, du warst auch den ganzen Tag schon so komisch.“
„Zerbrich dir bitte nicht den Kopf über mich. Wir müssen Lapis aufhalten…ihn vernichten.“
„Alice!“
„Äh, was?! Ah, sorry, ich war wohl in Gedanken.“
Yggdrasil und der Platz, an dem die Versammlung der Sieben Herrscher stattgefunden hatte, kamen jetzt in Sicht. Alice erinnerte sich an das Treffen mit den Sieben Herrschern. Und daran, was sie für Alice geopfert hatten, was Faria geopfert hatte.
„Ich muss diese Welt beschützen…“ Diese Worte gingen Alice nicht aus dem Kopf, aber da war noch ein anderer Gedanke, ein finsterer Gedanke, der aus den Tiefen ihres Bewusstseins zu ihr durchzudringen versuchte. Er kratzte und zwickte, um sich Gehör zu verschaffen.
Als sie Yggdrasil endlich in voller Größe sah, erblickte sie auch Lapis. Den Erzfeind, dem Alice so lange schon das Handwerk legen wollte.
„Lapis. Endlich habe ich dich gefunden.“
Alice sprach die Worte, die ihr seit ewigen Zeiten bereits auf der Zunge lagen, überraschend gelassen aus, während um sie herum der Boden anfing zu beben und zu vibrieren. Viel Zeit blieb ihr wohl nicht mehr…
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Lars hatte gehofft, unter besseren Umständen in sein Heimatland zurückzukehren. Denn als er hörte, was in der Zwischenzeit alles geschehen war, da war er am Boden zerstört. Faria war nicht von der Versammlung der Sieben Herrscher zurückgekehrt, Valentina und ihre Truppen aus Shangri-La hatten versucht, Gloria zu besetzen, wenn auch erfolglos.
„Sieht ganz so aus, als wäre eine ganze Menge passiert, während Alisaris mich gefangen hielt. Charlotte, es tut mir so leid!“
Vor zehn Jahren war Lars zu einer Queste aufgebrochen, um ein magisches Heilmittel für seine kleine Schwester Charlotte zu finden. Eine Queste, die ihn schließlich nach Vell-Savaria geführt hatte. Von dieser verfluchten Stadt aus war einst ein großes Imperium regiert worden, in dem man angeblich auch das Geheimnis der Unsterblichkeit kannte. Als Lars die verfluchte Stadt betreten hatte, war er jedoch von Alisaris, der die magische Energie von Vell-Savaria für seine finsteren Zwecke angezapft hatte, in einer Zeitschleife gefangen worden.
Mit dem Verschwinden und dem vermeintlichen Tod von Faria hatte Charlotte auch jeglichen Willen verloren und war in einen tiefen Schlaf gefallen. Seitdem lag sie bewusst- und bewegungslos auf dem Bett in ihren Gemächern des königlichen Palastes.
Obwohl es jetzt schon zehn Jahre her war, dass Lars zuletzt einen Fuß in den Palast gesetzt hatte, so kannte er immer noch jeden Winkel wie seine Westentasche. Nachdem er die letzten Stufen hinaufgerannt war, öffnete er die schwere Holztür zu Charlottes Gemächern.
„Charlotte. Tut mir leid, ich bin spät dran.“
Lars breitete seine Arme über seiner schlafenden Schwester aus. Selbst während die Welt um ihn herum im Chaos zu versinken drohte, war Lars ruhig und gefasst. Er sammelte sich einen kurzen Moment und dann sprach er die uralten Worte, auf die er in Vell-Savaria gestoßen war: ein Zauberspruch, mit dem man den Heiligen Geist eines uralten Reiches auf eine andere Person übertragen konnte.
„Charlotte, bitte sei mir nicht böse. Es tut mir leid, dass ich so eine gewaltige Last auf deine Schultern lege. Vor vielen Jahren zeigte eine Fee mir eine Vision, eine Vision, die mir offenbarte, dass du nicht nur diese Welt retten würdest, sondern alle Welten. Ich wünschte, ich könnte bei dir bleiben und dir endlich zeigen, was es alles außerhalb der Palastmauern zu sehen gibt. Aber ich fürchte, es gibt nur einen einzigen Weg, den Heiligen Geist weiterzugeben…“
Charlotte erwachte zum ersten Mal seit vielen Wochen. Ihre bleiche Haut hatte auf einmal Farbe bekommen und sie fühlte sich zum ersten Mal in ihrem Leben auch nicht mehr schwach und zerbrechlich, sondern voller Energie. Ihr Zimmer war leer, als sie sich im Bett aufsetzte. Dennoch schien sie eine Präsenz zu spüren. Und was war das, was sie da in ihren Händen hielt? Ein mysteriöses Objekt mit seltsamer Form, das eine magische Aura ausstrahlte. Als Charlotte es näher betrachtete, war es, als höre sie ganz leise ein Wort.
Memoria.
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Lapis verschwendete keine Gedanken an die Neuankömmlinge, sondern konzentrierte sich auf Yggdrasil und sein Ritual. „Da habt ihr euch ja sehr viel Zeit gelassen, letzter Erdling.“
„Das hier ist also der Obermotz? Den hab ich mir irgendwie größer vorgestellt.“
„Lass dich nicht täuschen, Kaguya. Er ist stärker als alles und jeder, mit dem wir es bisher zu tun hatten.“
„Okay, wenn du das sagst.“ Kaguya schaute Alice skeptisch an.
„Macht das da mal weg.“ Mit gleichgültigem Tonfall befahl Lapis seinen Zwölf Aposteln, sich um dieses lästige Ungeziefer zu kümmern, das seine großen Pläne zu stören gewagt hatte.
„Öhm, die sehen irgendwie alle recht stark aus.“ Kaguya stöhnte, denn mit so einer anstrengenden Aufgabe hatte sie nicht gerechnet. Alice hingegen sagte nichts, sondern strahlte Mut und Entschlossenheit aus, als hätte sie soeben eine wichtige Entscheidung getroffen.
„Du hast Recht, Kaguya. Wir können es uns jetzt nicht leisten, Zeit zu verschwenden oder Kräfte zu sparen. Ich zähle auf dich, lass uns das durchziehen.“
„Okay! Öhm, willst du damit sagen, du hast dich bisher geschont?!“
„Ja, aber nur, weil ich Angst davor hatte, was dann passieren würde. Aber das kann ich mir jetzt nicht mehr leisten. Schrödinger, auf geht’s, Beschwörungsmodus!“
„Miau.“
Eine weiße Katze erschien plötzlich auf Alice‘ Schulter. Mit einem leisen Miau beschwor sie die verschiedensten Mythen und Legenden, die für Alice in den Kampf eingriffen. Diese mächtigen Wesen standen den Zwölf Aposteln in Nichts nach, doch Lapis zeigte sich unbeeindruckt.
„Mehr hast du nicht auf dem Kasten?“
„Pah, wart’s nur ab.“
Zusammen mit ihren mythischen Verbündeten streckte Alice den ersten der Zwölf Apostel nieder. Schrödinger entzog den sterblichen Überresten jegliche magische Energie und transferierte sie zu Alice.
Dann, so wie schon bei Alisaris, stürzte sich Alice blitzschnell auf Lapis, in der Hoffnung, ihn mit dem überraschenden Angriff zu überrumpeln.
Doch kurz bevor sie ihn erreichen konnte, hatte seine Insignie, die Erde, bereits eine magische Barriere aus schwarzem Nebel zwischen Alice und Lapis errichtet. Der Angriff wurde so plötzlich gestoppt, wie er begonnen hatte. Lapis jedoch ließ sich in seiner Konzentration nicht stören.
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Tief in ihrem Herzen konnte Charlotte eine leise Stimme spüren, eine beruhigende und wärmende Stimme. Die Stimme ihres Bruders Lars, der sich geopfert hatte, damit sie den Heiligen Geist erhalten konnte.
„Lars. Ich werde kämpfen, um diese Welt zu beschützen. Ich weiß, ich hab eigentlich keine Ahnung vom Kämpfen. Aber Faria und du habt so viel für mich getan. Ihr habt dafür gekämpft, dass ich eines Tages die ganze Welt sehen kann. Sie ist wunderschön, unsere Welt, und ich werde sie beschützen!“
Sie presste das mysteriöse Memoria, das Lars ihr gegeben hatte, an ihre Brust.
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Alice kämpfte erbarmungslos gegen den Rest der Zwölf Apostel, das Gesicht schmerzverzerrt. Ihr Körper war an seinem Limit angelangt, denn inzwischen beherbergte er nicht nur die nicht gerade geringen Kräfte von Alice selbst, sondern auch die Macht von Yggdrasil und alles, was sie dank Schrödinger von ihren besiegten Feinden absorbiert hatte.
Diese gewaltigen und vor allem sehr unterschiedlichen Kräfte zu bändigen und zu lenken, das forderte so langsam Tribut von Alice, ihr Körper war am Limit. Doch die Entschlossenheit von Alice kannte keine Grenzen, sie setzte ihre Angriffe unbeirrt fort und versuchte, die Schutzbarriere von Lapis zu durchbrechen.
„Alice, das wird zu viel, du musst aufpassen!“ Kaguya war zu Recht besorgt um ihre Freundin.
„Das passt schon. Ich kann immer noch kämpfen.“ Alice protestierte, aber es war offensichtlich, dass sie sich überschätzt hatte. Ihr Gesicht wirkte seltsam verzerrt, ihre Augen weiteten sich, ein schiefes Lächeln breitete sich aus. Seltsame schwarze Flecken erschienen auf ihrer Haut und auf dem Fell von Schrödinger.
„Du kannst ihn ohne mich eh nicht besiegen, stimmt’s? Ich werde das für dich übernehmen.“
Die vertraute Stimme in ihrem Kopf war lauter geworden.
„Sei still!“
„Deine Sturheit war ja anfangs ganz niedlich, aber jetzt nervt sie gewaltig.“ So verspottete die Dunkle Alice ihre andere Hälfte.
Kaguya, die durch das seltsame Verhalten von Alice etwas abgelenkt war, bemerkte nicht, wie Ouroboros einen gewaltigen Feuerstrahl in ihre Richtung schickte.
So überrascht, konnte das Mädchen diesen mächtigen Feuerangriff nicht allein neutralisieren. Doch in letzter Sekunde wurde die junge Weltenwanderin durch eine schimmernde, fast flüssige Schutzbarriere gerettet, die sich überraschend zwischen ihr und den Flammen aufbaute. Das magische Feuer verpuffte, als es mit der Barriere kollidierte.
Kaguya sah sich nach ihrem Retter um und erblickte eine junge Zauberin in blau-goldener Kleidung, die von ihrem Zauber nicht minder überrascht zu sein schien als Kaguya.
„Hey, du da! Warst du das?!“
„Oh, war ich das?“
„Häh? Also was jetzt?“
„Oh, das tut mir leid. Ich komme gerade aus Gloria und…öh…“
„Wir haben jetzt keine Zeit für lange Erklärungen. Hilfst du uns oder nicht?“
„Ja! Öh, also deswegen bin ich ja hier.“
Die beiden Mädchen wandten sich jetzt wieder dem Kampf zwischen Alice und Lapis zu.
Bereits auf den ersten Blick konnte man sehen, dass die letzte Überlebende der Erde ohne Hilfe auf verlorenem Posten war.
Lapis, der ständig Kraft aus seiner Insignie bezog, zeigte keinerlei Müdigkeit. Alice hingegen war völlig fertig. Überall an ihrem Körper erschienen schwarze Flecken und verschwanden kurz darauf wieder. Es sah fast danach aus, als würde sie parallel noch einen zweiten – inneren – Kampf austragen.
„Ich sage es dir zum letzten Mal. Lass mich raus und ich mache ihn für dich fertig.“
„Halt die Klappe.“
„Diese Welt bedeutet dir doch überhaupt nichts! Denkst du vielleicht, wir bekommen unsere Heimat zurück, wenn wir diese Welt retten? Vergiss diese Hirngespinste! Das Einzige, was jetzt zählt, ist IHN zu vernichten! Du weißt, er hat den Tod sowas von verdient! Wir sind stark genug, aber dafür musst du mir die Kontrolle übergeben!“
Alice drohte langsam aber sicher in Finsternis zu versinken, die Stimme in ihrem Kopf mit ihrem wahnsinnigen Gelächter brach langsam aber unaufhaltsam ihren Widerstand.
„Alice! Alice! Hier, nimm!“
Kaguyas Stimme holte Alice in die Wirklichkeit zurück. Da war ein Mädchen neben Kaguya und sie hielt ihr einen seltsamen Stein entgegen. Sie sprach etwas gehetzt und nervös.
„Bitte nehmt dies. Falls ihr die Kraft des Weltenbaums in euch tragt, dann werdet ihr auch das nutzen können.“
„Das ist…“ Alice nahm das Memoria und spürte sofort dessen gewaltige Kräfte. Dieser Zauberstein war mit allen Erinnerungen von Attoraktia gefüllt. Alice konnte den Willen von Faria spüren, von Melgis, von Arla, von Rezzard und selbst den Willen von Machina. All das und noch mehr steckte in diesem kleinen Artefakt.
„Ihr alle wollt diese Welt auch beschützen.“
Alice spürte den gemeinsamen Willen der getöteten Herrscher Attoraktias. Einen Moment später wandte sie sich an das Mädchen, das ihr den Zauberstein übergeben hatte.
„Ihr müsst Charlotte sein, hab ich Recht?“
„Das stimmt, öh, aber woher wusstet ihr das?“
„Ich habe eurer Schwester etwas versprochen.“ Alice erinnerte sich an ihr Versprechen, das sie Faria gegeben hatte, und mobilisierte ihre letzten Kraftreserven. „Ich werde nicht noch einmal versagen. Ich muss sie retten. Ich habe es versprochen.“
Lapis hingegen nutzte diese kurze Atempause, um sein Ritual fortzusetzen.
„Zuerst müssen wir seine Insignie loswerden! Schrödinger, auf geht’s, Beschwörungsmodus!“
„Miau.“
Die gesammelten Kräfte des Memoria wurden auf Schrödinger übertragen. Mit einem strahlenden Lichtblitz erschienen Faria, Melgis, Arla, Rezzard und Machina in ihrer früheren Gestalt.
„Los! Wir werden diese Welt gemeinsam retten!“ Die Abbilder der Herrscher Attoraktias stürzten sich auf Lapis.
„Als ob ihr etwas gegen mich ausrichten könntet.“ Die schwarze Schutzbarriere war wieder da und hielt dem Angriff mühelos stand.
„Vielleicht überschätzt ihr euch da etwas.“ Mit der geballten Kraft der Herrscher und der Macht des Memoria konnte Alice mit Excalibur die Schutzbarriere durchbrechen.
„Gebt mir meine Heimat zurück!“ Alice griff Lapis an und schlug ihm seine Insignie aus der Hand, die wie in Zeitlupe gen Boden fiel.
„Kaguya!“
„Kein Problem, hab sie!“ Kaguya hatte die fallende Insignie aufgefangen, woraufhin diese sofort aufgehört hatte, weiter schwarzen Nebel abzusondern.
„Huch? Was ist da los?“ Während Kaguya die Erde aufgefangen hatte, hatte sie etwas Beunruhigendes erblickt.
Der Mond, den sie beschworen hatte, war verschwunden. Doch an seiner Stelle war jetzt ein anderer Mond erschienen, tiefschwarz und glänzend wie Obsidian.
Kaguya hatte diesen Mond schon einmal gesehen, in einem anderen Leben.
Damals hatte sie ihr Leben geopfert, um diesen Mond aufzuhalten…
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