
Kapitel 4: Lumia
Grimm: Das Fliegende Schloss und Die Zwei Türme
4. Kapitel: Lumia
„Wo war ich stehen geblieben? Ach ja. Der Legende nach wurden in längst vergangenen Tagen Wesen, die man auch die „Großen Alten“ nannte, aus den Tiefen der Welt erweckt. Diese versuchten sofort, den Zauberstein der Menschen unter ihre Kontrolle zu bringen. In diesem sogenannten "Zaubersteinkrieg" hatten die Menschen keine Chance gegen die gewaltige Macht der „Großen Alten“. Man erzählt sich, dass auf dem Höhepunkt des Krieges aber eine unsterbliche Prinzessin und die Sechs Weisen auftauchten und so das Blatt zugunsten der Menschen gewendet wurde. Dank der Macht der Sechs Weisen wurde der Stein in Sicherheit gebracht. Man sagt sich, einer der Sechs Weisen hat den Zauberstein, „Almerius“ genannt, hier im Schloss versteckt. Wer auch immer diesen Stein einsetzt… Pflegt Fräulein Lumia eigentlich immer noch in ihren Gemächern zu ruhen?“
Aesop warf Grimm einen genervten Blick zu.
„Aesop, du musst nicht so hochgestochen reden. Lumia war bis vor kurzem noch ein ziemlicher Wildfang gewesen, mit dieser Art von Sprache kann sie nichts anfangen.“, grinste Grimm.
„Auch wenn du quasi als gütige Königin auftrittst und Lumia als streitsüchtiger König, wäre es nicht vielleicht doch besser, wenn ihr miteinander tauschen würdet?“
„Nein, bloß nicht, ich bin glücklich damit, was ich jetzt bin. Es ist einfach sehr entspannend, den ganzen Tag in meinen Büchern lesen zu können und nicht regieren zu müssen. Nein, ich bin zufrieden und will nicht mehr tauschen.“
„Das mag ja sein, aber ist es auch richtig so? Aber egal. Fräulein Lumia, aufstehen bitte! Es ist Zeit für Ihren Unterricht!“
———————–
„Was? Wie? Wo bin ich?“
Lumia erwachte in dem ihr sehr vertrauten Arbeitszimmer. Aber Grimm war nicht mehr da.
„Fräulein Lumia, ich sehe, Sie sind endlich aufgewacht.“
„Äh, ja, aber wo ist mein Bruder hin?“
„Da sind Sie wohl noch nicht ganz wach, Fräulein Lumia. Ihr Bruder ist mit dem Mädchen in Rot losgezogen, um Dracula zu besiegen. Und zwar schon vor drei Monaten!“
„Oh, ja, natürlich.“, murmelte Lumia und lehnte sich zurück.
„Fräulein Lumia, Sie wollten ja nicht auf mich hören als ich damals sagte, dass Sie nicht versuchen sollten, mitzugehen, so ganz ohne Herrscherkräfte. Sie wären keine Hilfe gewesen, das war eine Mission für Herrscher.“
„Ich weiß, ich weiß.“
Lumia schaute missmutig aus dem Fenster. Über den fernen Landen, wo Dracula aufgetaucht war, hing noch immer ein finsterer Nebel. Doch heute sah dieser düstere Nebel noch bedrohlicher aus als sonst.
„Ich frage mich, ob es meinem Bruder gut geht.“
„Herr Grimm kann sich die Kräfte von Märchenfiguren ausborgen. Das ist seine spezielle Herrscherkraft. Damit wird er Draculas Albtraumgeschichte korrigiert haben, so mächtig sie auch gewesen sein mag.“
„Ja, schon, ich glaube ja auch, dass Dracula besiegt werden konnte. Aber, naja, vielleicht denke ich auch einfach zu viel nach, aber für mich fühlt es sich so an, als wäre Draculas Niederlage von jemandem geplant gewesen.“
„Fräulein Lumia, was in aller Welt…“
„Das ist nur so eine Vermutung, aber zuletzt lagen diese Vermutungen von mir immer richtig.“
Plötzlich, wie aus dem Nichts, tauchte ein wundersames Mädchen vor ihnen auf.
„Das bedeutet, dass die Zeit des Erwachens näher rückt. Ich habe nur wenig Zeit, daher hört mir ganz genau zu, was ich euch sagen muss.“
„Moment mal, wer bist du denn?“
Lumia musterte das wundersame Mädchen ganz genau.
„Ich habe nicht viel Zeit für Erklärungen, aber das ist wirklich wichtig. Dracula der Dämonische wurde von Grimm besiegt, aber Grimm hat es erwischt. Er existiert nicht mehr in dieser Welt.“
„Was soll das bedeuten? Ist meinem Bruder etwas passiert?“
„Das falsche Rotkäppchen hat Grimm das Zauberbuch der Widersprüche gegeben. Und weil er es so oft benutzt hat, wurde er in dem Buch gefangen. Eine letzte Botschaft soll ich dir von Grimm noch ausrichten:. Du bist die einzige, die die gleichen Kräfte hat wie er, du kannst die Welt retten.“
„Das Mädchen in Rot? Ich wusste doch, dass da irgendetwas faul war.“
Mit zerknirschtem Gesicht und Tränen in den Augen ging sie in Richtung Tür.
„Warte bitte! Du musst erst deine Herrscherkräfte wecken. Grimm hat mir seine letzten Kraftreserven anvertraut. Hier, bitte berühre Moojdart, einen der Wahren Zaubersteine.“
„Einen Wahren Zauberstein? Das kann nicht sein, so etwas gibt es wirklich hier im Schloss?“
Völlig konsterniert starrte Aesop den Stein an. Lumia berührte den Stein und Grimms letzte Kräfte legten sich als strahlenden Mantel um sie.
„Diese strahlende Macht ist die Willensstärke meines Bruders?“
„Ja, damit konnten deine Herrscherkräfte erweckt werden. Hier im Schloss ist noch ein weiterer Wahrer Zauberstein verborgen, Almerius. Du solltest ihn bereits spüren können.
Grimm war ein „Erzähler“, aber deine Kräfte sind die eines „Restaurators“. Du kannst Geschichten wieder ihren normalen Verlauf zurückgeben. Immer wenn sich eine Geschichte in einen Albtraum verwandelt hat, kannst du sie in ihre ursprüngliche Form bringen.“
Doch selbst mit ihren unglaublichen neuen Kräften wunderte sich Lumia immer noch, ob all dies ausreichen würde, um Grimm zu retten.
„Oh, stimmt, da war noch was. Dieses Buch hier solltest du lesen. Du kannst dir danach Kräfte von den Helden in diesen Geschichten ausborgen.“
Lumia starrte das wundersame Mädchen mit großen Augen an und schnappte sich das Buch.
„Na, dann wollen wir mal, Lumia, komm, los geht’s!“
Die Tränen in Lumias Augen wichen einem Blick der Entschlossenheit, sie schlug ihr neues Buch „Legenden vom Purpurmond“ auf und las den Titel der ersten Geschichte: „Das Märchen von Grimm – Sein mutiger Kampf gegen die Mächte der Finsternis“.