Kapitel 3: Abdul Alhazred
Grimm: Das Fliegende Schloss und Die Zwei Türme
3. Kapitel: Abdul Alhazred
Der Mond färbte sich so langsam rot.
Als der Turm langsam am Horizont verschwand, wurde im Schwarzwald eine kleine Lichtung sichtbar, auf der ein einsamer Wahrsager auftauchte.
Der Wahrsager war in dunkle Gewänder gekleidet und hielt ein schwarzes Buch im Arm. In seiner Gegenwart spürte jeder, dass das Ende nah war, ohne dass er ein einziges Wort sagen musste. So ging es jedem Dörfler, der ihm über den Weg lief.
„Ah, endlich. Sieht so aus, als würden heute schreckliche Dinge erwachen.“ sagte der Wahrsager.
Ob gut oder schlecht, naja, eher ob schlecht oder noch schlechter, was immer der Wahrsager auch vorhersagte, es trat tatsächlich stets ein.
Und obwohl er immer richtig lag, kamen nur sehr wenige an seinem Turm vorbei, um sich die Zukunft vorhersagen zu lassen. Aber das war auch kein Wunder, denn die von ihm verkündete Zukunft war immer schlecht. Manchmal mehr und manchmal weniger, aber den Dörflern kamen diese Weissagungen eher Flüchen gleich, darum mieden sie den Wahrsager, wo sie nur konnten.
„Dieses Dorf wird bald von vergangenen Dämonen bedroht.“
Den neuesten Ausspruch des Wahrsagers nahmen die Dörfler jedoch nicht für bare Münze, obwohl sie doch wussten, dass stets alles so eintrat, wie er es vorhersagte.
„Vergangene Dämonen? Darunter könnt ihr euch wohl nichts vorstellen. Und was man sich nicht vorstellen kann, fürchtet man nicht…“, flüsterte der Wahrsager.
Kurze Zeit nach dieser Weissagung tauchte eine düstere Burg am Rand des Schwarzwalds auf, und mit ihr Dracula, der Dämonische. Er fing auch gleich an, Angst und Schrecken unter den Dörflern zu verbreiten. Wieder einmal hatte sich ein Fluch des Wahrsagers bewahrheitet, dachten die Dörfler.
Es dauerte aber nicht lange, da kam Grimm, der junge Prinz aus dem Lichtpalast, in den Schwarzwald, mit Rotkäppchen im Gefolge. Ihre Mission: Dracula zurück in seine Geschichte zu schicken.
Die Dörfler schöpften neuen Mut und hofften, dass ihr Dorf jetzt wieder sicher sein würde. Doch dann sahen sie, wie Grimm und Rotkäppchen den Wahrsager aufsuchten, und ihre Hoffnung wandelte sich langsam in Verzweiflung. „Welche schlechte Nachricht werden wir denn jetzt zu hören bekommen?“ fragten sie sich.
„Bist du der berühmte Wahrsager aus dem Schwarzwald? Hmm, da ist doch was faul. Was meinst du, Grimm?“ Rotkäppchen blickte Grimm mit glänzenden Augen an.
Grimm baute sich vor dem Wahrsager auf, ihn sorgenvoll musternd. Als der Wahrsager von seinem Buch aufblickte, sah er Grimm und Rotkäppchen, schlug sein Buch auf einer neuen Seite auf und sprach mit ruhiger und fester Stimme:
„Ich sehe, so wird es sein…das ändert doch einiges…Mädchen in Rot, wer bist du? Nein, vielmehr, bist du dir bewusst, wer du bist?“
„Ich? Ich bin Rotkäppchen! Mich kennt doch jeder, so berühmt wie ich bin. Naja, Spaß beiseite. Sie sind also der Herr Wahrsager? Wie wäre es denn mit einer Weissagung darüber, was mich auf dieser Mission erwar…?“
Der Wahrsager unterbrach ihren Redefluss: „Du fragst mich nach deiner Zukunft? Sehr interessant. Sollen wir? Von hier wirst du tiefer in den Schwarzwald wandern. Dort wirst du ein junges Mädchen namens Pandora treffen und sich etwas von ihr ausborgen, womit Dracula vernichtet werden kann. Es ist deine Entscheidung, ob du mir glauben willst oder nicht.“
„Hihi, alles klar. Grimm, dieser Typ ist tatsächlich kein Lügner!“
Rotkäppchen streckte Grimm und den Dörflern die Zunge heraus.
„Ich traue ihm nicht, aber es bestätigt, was du gesagt hast. Egal, wir müssen los. Unser Schicksal wartet.“
„Recht hast du, auf in den Schwarzwald. Danke, Herr Wahrsager.“
Als Grimm und das rot gekleidete Mädchen aus ihrem Blickfeld verschwanden, drehten sich die Dörfler zum Wahrsager und schauten ihn verdutzt an. Das war das erste Mal, dass der Wahrsager etwas Positives vorhergesagt hat! Und wenn Dracula besiegt werden sollte, so wie der Wahrsager es vorhergesagt hatte, dann würde endlich wieder Frieden im Dorf einkehren, dachten die Dörfler.
Und tatsächlich, was der Wahrsager vorhergesagt hatte, trat etwas später auch ein: Grimm besiegte Dracula.
Es gab aber dennoch ein Problem für die Dörfler. Naja, mehr ein Missverständnis. Denn was sie unter einer guten Zukunft verstanden, deckte sich einfach nicht damit, was der Wahrsager darunter verstand…
Der Wahrsager öffnete sein schwarzes Buch erneut, dieses Mal auf einer anderen Seite.
„Eine unvorstellbare Sünde. Dracula ist gefallen, aber wo sind die Anzeichen einer strahlenden Zukunft? Hehehe, kein Wunder. Menschen denken immer nur daran, wie sehr sie an ihrem Leben hängen.“
Kurze Zeit später erschien der gewaltige Schatten eines Drachen am Himmel.
„Alhazred, ich habe dir den Zauberstein gebracht, Grusbalesta.“
„Falltgold, das war keine Minute zu früh. Ich sehe, du kannst inzwischen damit umgehen.“
„Schon, aber was ist jetzt mit dem Mädchen in Rot? Wie geht es ihr?“
„Ah, das ist nicht mehr unser Problem. Bald müssen wir den Turm der Verzweiflung hinter uns lassen und das Fliegende Schloss heimsuchen. Das ist viel wichtiger als das Mädchen in Rot, dort spüre ich eine ungewöhnliche Präsenz. Aber zuerst einmal müssen wir unsere neuen Fähigkeiten ausprobieren.
Alhazred drehte sich wieder in Richtung des Dorfes.
„Na gut, ich frage mich, ob sie sich noch daran erinnern. ‚Dieses Dorf wird bald von vergangenen Dämonen bedroht.‘ hatte ich damals gesagt. Aber das war kein Hinweis auf Dracula, sondern auf…“
„Die Zeit ist reif.“
Als der Wahrsager sein schwarzes Buch erhob, breiteten sich dunkle Nebelschwaden im Dorf aus. Die Sonne verdunkelte sich, als der Nebel dichter wurde, und aus dem Abgrund stieg eine teuflische Gestalt empor.
Sie war nicht von dieser Welt und ihr Anblick allein reichte aus, um die Menschen in tiefe Verzweiflung zu stürzen.
Alhazreds schwarzes Buch ließ ihn nicht nur in die Zukunft blicken, er konnte sie damit auch „ausradieren“.
Verzweiflung bedeutet das Ende aller Hoffnung. Sobald man alles Großartige in der Zukunft ausgemerzt, bleibt nur noch ewige Finsternis.
Das schwarze Zauberbuch des Wahrsagers war auch als „Necronomicon“ bekannt.
„Habt keine Angst mehr…Eine weitere Zukunft der Finsternis steht euch erst noch bevor.“
Das Dorf verschwand im Laufe einer Nacht wie vom Erdboden. Und während ich mich noch sehr gut an das Dorf erinnern kann, scheint niemand anders in der Welt es jemals gekannt zu haben.
Was danach geschah?
Nun, das ist eine andere Geschichte…